Explosionen im Kopf machen das Leben zur Hölle

Explosionen im Kopf machen das Leben zur Hölle

Migräne ist eine Volkskrankheit - Neben Medikamenten helfen auch Änderung im Alltag, die Krankheit in den Griff zu bekommen.

Heidelberg. "Damals wollte ich nicht mehr leben und dachte darüber nach, mit dem Auto gegen einen Baum zu fahren, dass diese unerträglichen Schmerzen aufhören", schildert die heute 57-jährige Lucia Gnant ihre damalige Situation bei der Infoveranstaltung der Migräne-Liga im SRH-Zentrum.

Frau Gnant ist eine der rund 8 Millionen Menschen, die an Migräne leiden. Und dennoch teilt sie ihr Leiden mit anderen Betroffenen: Sie ist Beauftragte für Selbsthilfegruppen, die sich eben mit dieser Krankheit auseinandersetzen. Plötzlich auftretende Sehstörungen, stechende Schmerzen, Schwindel und Übelkeit legten Lucia Gnant noch vor zehn Jahren circa alle drei Wochen lahm - vor 35 Jahren erlitt sie zum ersten Mal einen Migräneanfall. Heute aber habe sie ihre Krankheit fest im Griff, strahlt sie. Es klingt wie ein Traum, und so macht Gnant allen Leidenden Mut, ihre Migräne selbst zu meistern. Dr. med.Ronald Brandt, Chefarzt der Migräne-Klinik Königstein, ist stolz auf seine ehemalige Patientin. Er weiß, was Menschen bei Migräneanfällen durchleben. "Auch ich habe eine 17-jährige Tochter, die bereits Migräne hat." Ein Patentrezept oder gar eine Wunderheilung könne auch er nicht aus dem Ärmel schütteln, es gebe aber Wege, die Lebensqualität deutlich zu verbessern und die Häufigkeit und Intensität der Krankheit deutlich zu reduzieren. Medikamente, die es mittlerweile in den unterschiedlichsten Ausführungen gibt, helfen Betroffenen, ihre Schmerzen zu mindern oder zu unterdrücken.

Es helfe aber zusätzlich und vor allem langfristig, das eigene Leben umzukrempeln und einfach mal "Nein" zu sagen, meint Brandt. Denn die meisten Menschen, die an Migräne leiden - und da ist sich Brandt - sicher sind ehrgeizig, perfektionistisch und gutmütig. Es sei aber wichtige, auch einmal an sich zu denken, nicht zu allem "Ja" zu sagen, und Abstriche zu machen. "Haben Sie keine Scheu davor, ihrem Chef zu sagen, dass sie Pausen brauchen", sagt Brandt. Es sei wichtig, offen über seine Krankheit zu reden und vor allem, sich nicht dafür zu schämen. Beides sei auch Lucia Gnant damals schwergefallen. Erst sei sie gar nicht zum Arzt gegangen, hätte ihre Krankheit verdrängt, so wie circa 30 Prozent der Migräne-Leidenden, später habe ein Arzt sie dann nur belächelt. "Man wird als Simulantin hingestellt", macht die 57-Jährige ihrem Ärger Luft. Hier deshalb ein paar wichtige Tipps bei Migräne: Woran merke ich, ob es sich um Migräne oder Kopfschmerzen handelt?

Der erste Ansprechpartner bei Kopfschmerzen ist gewöhnlicherweise der Hausarzt. Er wird zunächst ein längeres Gespräch mit seinem Patienten führen. In der Regel wird die Migräne bereits "in die Wiege gelegt", deshalb gilt es, die Familie in den Fokus zu rücken. Eine Diagnosestellung erfordert neben dem Gespräch aber auch eine körperliche Untersuchung. Was ist zu tun bei leichten bis mittelschweren Migräneattacken? Erste Wahl sind Schmerzmittel (so genannte Analgetika), die in der Regel einen der Wirkstoffe Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Paracetamol enthalten. Diese Medikamente sind ohne Rezept zu bekommen. An dieser Stelle betont Brand: "Nehmen Sie das Medikament, was Sie am besten vertragen". Es sei ratsam zu dem Schmerzmittel zusätzlich ein anderes Medikament zu nehmen, welches die Begleiterscheinungen, wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall, bekämpft.

Das Prokinetikum sollte zeitlich vor dem Schmerzmittel eingenommen werden. Was ist zu tun bei mittelschweren bis schweren Migräneattacken? Es ist inzwischen auch möglich, mit einem einzigen Medikament den Kopfschmerz und gleichzeitig seine Begleitsymptome zu behandeln. Dies gelingt mit Triptanen. Brand fügt jedoch hinzu, dass der Patient nie länger als zehn Tage am Stück ein solches Medikament zu sich nehmen sollte, da es auf Dauer den Körper schädigen und zudem abhängig machen könne. Migräneauslöser erkennen und meiden. Ein Kopfschmerzkalender, der regelmäßig geführt wird, kann hierbei helfen. Öfter "Nein" sagen und nicht zu Dingen drängen lassen, die einen aus dem Takt bringen.

Auf regelmäßige Essenszeiten achten. Sport treiben (zum Beispiel Schwimmen, Radfahren oder Wandern - das hilft dem Gehirn zu entspannen) Eine ausgeglichene Lebensführung befolgen. Ein sehr gleichmäßiger Tagesablauf kann Kopfschmerzen verhindern. Einen gleichmäßigen Schlaf- und Wach-Rhythmus beibehalten - vor allem am Wochenende. Entspannungstraining lernen und regelmäßig praktizieren. Eine größere Distanz zu den scheinbar unabänderlichen Dingen des Alltags macht gelassener. Gut geplante, regelmäßige Pausen sind der Geheimtipp für einen produktiven Tag. Einnahmeregeln für Medikamente beachten. Vorbeugende Medikamente müssen regelmäßig über mehrere Monate verwendet werden, da sie erst nach Wochen wirken. Mäßig wirksame Medikamente können die Attackenhäufigkeit erhöhen.

Info:

Migräne-Selbsthilfegruppe Heidelberg,
Tel. 06221 / 776275, Tel. 06223 / 2675

Migräne-Klinik Königstein, Telefon: 06174 /2904-0, www.migraene-klinik.de

Migräne Liga Deutschland, www.migraeneliga.de